Joseph Beuys - Das menschliche Kapital

Das Kapital der Schöpfungskraft

Die Begriffe „Kapital“ und „Kapitalismus“ sind in ihrer Begrifflichkeit festgefahren und mit einem unumstößlichen Verständnis dieser behaftet. Beuys jedoch betrachtete diese Begriffe in ihrer Rohform, unabhängig von Definition. So legt er das Kapital des Menschen als Kreativität aus. Genauer beschreibt er die schöpferische Kraft des Menschen und die daraus entstehenden Dinge als das eigene Kapital. Dies stellt auch der erweiterte Kunstbegriff nach Beuys dar.
Dadurch kann man auch den vermeintlichen Widerspruch erklären, wenn Beuys sich gegen den Kapitalismus aussprach und doch einen großen Anteil daran zu haben scheint.

„Das Kapital Raum 1970-1977“

Im Zuge der Ausstellung „Das Kapital. Schuld – Territorium – Utopie“ wird ein Werk von Joseph Beuys, welches er 1980 kreiert, näher beleuchtet. „Das Kapital Raum 1970-1977“, welches in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu betrachten ist, befasst sich mit dem Kapital des Menschen. Das Werk wurde der Galerie als Dauerleihgabe von Erich Marx, einem Kunstsammler, überlassen. Dabei muss der Besucher der Installation zunächst verschiedene Raumsequenzen passieren, welche in drei Kapital unterteilt sind: Schuld, Territorium und Utopie. Am Ende dieser parkourartigen Raumgestaltungen findet sich Beuys Werk wieder. In diesem befinden sich unter anderem 50 Schiefertafeln mit Formeln, Wörtern und Sätzen. Zusätzlich ist ein Klavier im Raum platziert, an welchem eine Axt lehnt, es gibt eine Zinkwanne, eine Gießkanne, eine Leiter, Fett, Filmprojektoren und viele weitere, genauer 27 verschiedene Objekte, teilweise jedoch auch Doppelobjekte. Es findet sich hier das Prinzip der Paarbindung vor, auch wenn nur sehr wenige Paare aus deckungsgleichen Elementen bestehen. Vielmehr ist die Installation geprägt durch ungleiche Paare aus sich ergänzenden Gegenständen. Das Werk ist für viele ein Erinnerungsstück an die Vergangenheit, da Beuys viele Objekte aus seinen früheren Arbeiten verwendete. Mit „Das Kapital Raum 1970-1977“ verfolgt Beuys erneut eine gesellschaftsverändernde Maßnahme. So stellt er mit seinem Werk die Definition des Kapitals und damit des Kapitalismus in Frage.

Der Kapitalismus der Kunstwelt

Kapitalismus, eine Wirtschaftsform, in der der Markt sich selbst regelt, also von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Befriedigt Beuys mit seiner Kunst nicht auch nur die Nachfrage und wird damit Teil einer kapitalistischen Gesellschaft? Dies war wohl nie Beuys Absicht, dennoch schöpft er diesen Umstand so gut wie möglich aus, indem er seine Werke für Millionenbeiträge verkauft. So auch „Das Kapital Raum 1970-1977“. Spricht das nicht genau gegen den Beuysschen Begriff des Kapitals? Denn was hier eine größere Rolle spielt als das Schöpfungskapital des Menschen ist das Geldkapital. Wird die Kunstwelt heutzutage nicht als Markt begriffen, in welchem die purste Form des Kapitalismus betrieben wird? Den Eigennutz als wichtigsten Antrieb zu verstehen, um zu Wohlstand zu gelangen.
Laut Beuys ist dem nicht so. Nach ihm steht der Kapitalismus der Kunst gegenüber. Er selbst sieht Geld dabei lediglich als ein Mittel, um die Umsetzung des kreativen Kapitals zu gewährleisten.