Eine aktuelle Debatte

Im Zuge der „Black Lives Matter"-Bewegung wird verstärkt über die koloniale Vergangenheit von Deutschland diskutiert, woran Akinbiyi mit seinen Arbeiten anknüpft. Er sieht die Proteste und immer lauter werdenden Stimmen als Weckruf für all diejenigen, die wegschauen und als Aufruf zur Veränderung. Dabei stellt er fest, dass es nicht nur eine Schwarz-Weiß-Problematik ist, sondern eine Problematik, welche alle Menschen betrifft. Das menschliche Miteinander und der unterschiedliche Umgang stehen dabei für ihn im Vordergrund. Akinbiyi befasst sich unter anderem mit diesen Themen in seinen eigenen Arbeiten.

"Wir alle haben unsere Vorurteile, Toleranzen und Intoleranzen. Aber wir Wanderer müssen wirklich daran arbeiten". (Akinbode Akinbiyi)

Auch in seiner fortlaufenden Fotoserie „African Quarter“ spielen diese Themen eine wichtige Rolle. Der Völkermord der Herero und Nama, durch deutsche Kolonisten, welcher sich zwischen 1904 und 1908 in Namibia ereignete, beeinflusst noch heute das Leben im „African Quarter“. So sind viele der Straßennamen nach deutschen Persönlichkeiten benannt, die an der kolonialen Expansion beteiligt waren. 2018 kam es daher nach Forderungen, die eine Umbenennung der Straßennamen anstrebten, zu eben diesem Beschluss. Unter anderem wurden dafür Namen von Widerstandskämpfern, wie Cornelius Fredericks und Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung, wie Anna Mungunda gewählt. Doch auch hier gibt es Proteste von Anwohnern gegen die Umbenennung.

Joseph Beuys und Akinbode Akinbiyi

Auch wenn die beiden Künstler Joseph Beuys und Akinbode Akinbiyi sich wohl zu Lebzeiten nicht getroffen haben, teilen sie ein gemeinsames Anliegen: Menschen durch ihre Kunst zu erreichen und ihnen die Augen für Dinge zu öffnen, die gesellschaftliche Relevanz haben. Beuys sieht Kunst als das Erziehungsmittel der Menschen und auch Akinbiyi weist seinen Fotos ein Stück weit diese Bedeutung zu, wenn er davon spricht ein besseres Miteinander schaffen zu wollen. Genau hier findet sich der kunstsoziologische Aspekt wieder, der gesellschaftlichen Funktion der Künste. Akinbiyi nutzt seine ausdrucksstarken Fotos um Menschen zu verbinden und ein interkulturelles Konzept für eine Gesellschaft im Wandel zu schaffen. Beuys hingegen fokussiert sich nicht nur auf einen kulturellen Aspekt, sondern fordert durch seine provokanten Installationen dazu auf, verschiedene gesellschaftlichen Missstände zu bereinigen. Beide sprechen daher im Zuge der Kunstsoziologie soziale Problematiken an und versuchen diese an den Betrachter ihrer Kunst heranzutragen.

Akinbode Akinbiyi - Ein Wanderer in der Welt

Wer ist dieser sogenannte „Wanderer“ zwischen den Welten? Dieser Philosoph der Fotografie? Akinbode Akinbiyi, der britisch-nigerianische Fotograf machte sich einen Namen durch seine ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotografien. Seine Projekte befassen sich vor allem mit dem Alltag der Menschen und alltäglichen Dingen, wie Plakaten, Straßenschilder und Automaten. Dabei konzentriert er sich auf die afrikanische Gemeinschaft, deren Geschichte und oft ungehörten Stimmen. Dazu reist er selbst immer wieder nach Afrika und verleiht seinen Fotos dadurch Aktualität. Doch auch in anderen Städten wie in Johannesburg, Athen und in Berlin, in denen die afrikanische Gemeinde stark vertreten ist, lichtet er den Alltag der Menschen ab. Er selbst möchte damit die Gesellschaft aufrütteln und Missstände aufzeigen.

"Ich möchte das Ungleichgewicht zeigen und versuchen, einen Weg zurück zu einer ausgewogenen Gesellschaft zu finden, in der wir einander respektvoll behandeln.
“ (Akinbode Akinbiyi)

Der Analogfotograf betrachtet sich selbst als Wanderer, der versucht Momente festzuhalten, ohne diese selbst zu beeinflussen. Dabei begibt er sich auf bewusste Wanderungen durch die Städte der Welt, immer auf der Suche nach dem perfekten Augenblick.

„African Quarter“ als kunstsoziologisches Projekt

Teil der Ausstelling von Akinbode Akinbiyi: „Six Songs, Swirling Gracefully in the Taut Air“, ist die Fotoserie „African Quarter“, welche er in den späten 1990er Jahren begann.
Die Fotoserie entstand in Berlin, genauer zum großen Teil in dem Ortsteil Wedding. Hier lichtete Akinbiyi vor allem das afrikanische Viertel ab und verweist dadurch nicht nur auf die Vergangenheit der afrikanischen Bevölkerungsgruppe in Berlin, sondern lässt den Betrachter auch an aktuellen Entwicklungen im „African Quarter“ teilhaben. Akinbiyi hat dabei eine Botschaft für den Betrachter, die dieser nach ihm aber selbst entdecken muss. Er stellt mit seinen Fotos Fragen, Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Was aus seiner Fotoserie hervorgeht, ist die zum Teil noch unaufgearbeitete Vergangenheit und der damit verbundene Widerstand gegen die deutsche Kolonialgeschichte. Der Umgang damit ist bis heute noch schwierig, doch Akinbiyi nähert sich mit seiner Kunst dieser heiklen Problematik an. Das Afrikanisches Viertel ist Teil dieser Geschichte. Straßennamen, die an koloniale Handlungen erinnern und Stereotyp vom afrikanischen Kontinent als Urwald sind nur einige der dafür charakteristischen Aspekte. Diese sind bereits sichtbar, sobald man die U-Bahn bei der Station „Afrikanisches Viertel“ verlässt. Akinbiyi regt den Betrachter seiner Arbeit dazu an diese festgefahrenen Stereotypen zu hinterfragen und verweist auf die Aufarbeitungsproblematik der Geschichte von Deutschland und dem afrikanischen Kontinent.