Soziale Plastik

Um den Begriff der Sozialen Plastik zu verstehen muss man zunächst Joseph Beuys Ausführungen zur Plastik an sich heranziehen. Er beschreibt, dass die Plastik nicht mehr nur konventionell zu betrachten ist. Sie ist kein bloßer Gegenstand mehr, der nur betrachtet werden soll. Dieser Status wird von Beuys aberkannt. Vielmehr versieht Beuys die Plastik mit neuen Eigenschaften. Der neue Mittelpunkt bei der Plastik findet sich, laut Beuys, in der Bewegung, den Emotionen vor, die mit dieser verbunden sind. So bildet er eine Theorie aus, nachdem er verschiedene Kräfte, die vorher chaotisch wirken, mithilfe einer Plastik darstellen kann. Als Beispiel ist hier sein altbekanntes Hilfsmittel, das „Fett“, zu nennen, welches an sich einen chaotischen, nicht greifbaren Zustand aufweist. Dieses Fett wird von Beuys in Form gebracht. So fügt er eine neue Substanz, eine neue Form, in die nach ihm, „Stoffeswelt“ ein.
Die Soziale Plastik wird dadurch sozial, dass sie auf den zwei Prinzipien baut, dem Willen und der Ratio. Wodurch sie auf den Menschen übertragen werden kann. Das Denken und Empfinden ist auf den Menschen zurückzuführen und aufgrund des Status als freies Wesen kann, nach Beuys, jeder Mensch etwas Neues erschaffen und damit auch gesellschaftliche Veränderungen bewirken. So erhält die Soziale Plastik gesellschaftliche und auch politische Relevanz, da sie der Antrieb zur Veränderung sein kann.

Joseph Beuys - Über den erweiterten Kunstbegriff

Erweiterter Kunstbegriff

Mit dem Erweiterten Kunstbegriff möchte Beuys jede menschliche Tätigkeit umfassen. Dieser von ihm geprägte Anti-Kunstbegriff zielt darauf ab, dass nach Beuys jeder Mensch ein Künstler ist. Da jeder Mensch von Natur aus das Potenzial hat, etwas Kreatives zu erschaffen.


„Mein erweiterter Kunstbegriff zielt auf nichts anderes als die allgemeine Kreativität“
(Joseph Beuys)


Diese im Menschen existierende Möglichkeit der Schöpfung ist der Ausgangspunkt zur Einflussnahme auf das Weltgeschehen. So zeigt Beuys nicht nur das Potenzial der menschlichen Schöpferkraft auf, sondern fordert zugleich auch eine Bewusstseinserweiterung und damit eine Erweiterung des Wissenschaftsbegriffes. Für ihn ist der Akt des Kunstschaffens nicht nur den „Künstlern“ vorbehalten, sondern einem jedem Menschen. Er erschafft so den Erweiterten Kunstbegriff für die Allgemeinheit und nicht für die in sich geschlossene Kunstwelt, zu der nicht jeder Zugang hat oder findet. Durch ihn ist dadurch eine Veränderung der Gesellschaft möglich. So kann nach Beuys jeder Mensch durch sein eigens Schaffen in die Arbeitswelt und damit in den Kapitalismus eingreifen. Dadurch entwickelt Beuys durch den Erweiterten Kunstbegriff die Möglichkeit zur Innovation und Revolution.

"zeig deine Wunden"

Das Werk „zeig deine Wunden" (1974/75) von Joseph Beuys ist ein Environment, welches man dem Erweiterten Kunstbegriff und der Sozialen Plastik zuordnen kann. Das Werk wird aktuell noch immer in der Städtische Galerie im Lenbachhaus und im Kunstbau in München ausgestellt. Jedoch gab es bezüglich der Ausstellung 1979 öffentliche Diskussionen über den Wert der Arbeit und der zeitgenössischen Kunst an sich. Beuys selbst war ebenfalls anwesend und nach Abschluss der Diskussion der erste Nicht-Münchener, der das Privileg genoss im Lenbachhaus ausstellen zu dürfen.


"In diesem Konzert der Gegenstände spreche nicht ich, sondern die Dinge haben ihre eigene innere Sprache. Das zu erfassen, kann man niemandem abnehmen." (Joseph Beuys)


Das Werk befasst sich, wie der Titel vermuten lässt mit der Verletzbarkeit der Menschheit. Dabei fordert Beuys: „zeig deine Wunden“, wodurch der Heilungsprozess erst einsetzt. Mit der Installation zeigt Beuys viele Gegensätze auf: Leben und Tod, Verletzung und Heilung, Vergangenheit und Gegenwart. Diese Gegenüberstellung zweier Dinge spiegelt sich auch in den paarweise angeordneten Materialen wider. So befinden sich im Mittelpunkt des Werkes zwei alte Leichenbahren der Pathologie. Über diesen sind zwei vermeintliche „Lampen“ angebracht, die von innen mit Fett bestrichen sind. Unter den Leichenbahren befinden sich Kästen aus Blech, welche mit Fett befüllt sind. Auf ihnen liegt je ein Thermometer und ein Reagenzglas, welche einen Amselschädel beinhalten. Neben diesen befinden sich Einmachgläser, die mit Mull abgedeckt sind. An zwei weißen Holztafeln, die an der Wand befestigt sind, sind zwei Werkzeuge (Schepser) gelehnt. Auf der gegenüberliegenden Seite finden sich zwei Forken vor, welche auf einer Schiefertafel stehen. In diese hat Beuys zwei Halbkreise eingeritzt. Des Weiteren befinden sich im Environment zwei Ausgaben der italienischen Zeitung „Lotta Continua“ („der unendliche Kampf“, bzw. „der Kampf geht weiter“) in zwei weiß gestrichenen Holzrahmen. Der wohl wichtigste Aspekt des Werkes sind wohl jedoch die beiden Schultafeln, auf welche mit Kreide die Botschaft Joseph Beuys „zeig deine Wunden“ geschrieben wurde.

Warum gehört dieses Werk nun zum Erweiterten Kunstbegriff? Joseph Beuys fordert hier klar den Menschen zum Handeln auf, zum Ausdrücken und dazu Eigenes zu Schaffen. Er spricht die Gedankenwelt und die Kreativität eines jeden an. Denn wer dachte bei der Betrachtung des Werkes nicht automatisch daran, was wohl seine „Wunden“ sind oder wie man selbst diese ausdrücken würde? Doch eben auch Beuys reflektiert sein Selbst durch die Schaffung dieses Environments und zeigt seine Wunden. Es ist daher auch ein Ausdruck seines eigenen künstlerischen Wesens.
Als Werk, welches die Emotionen der Menschen in den Vordergrund rückt, verdient es ebenfalls den Status der Sozialen Plastik. “zeig deine Wunden“ bewegt auf sowohl positive, wie auch negative Weise und berechtigt zur Eigeninitiative und damit dem gesellschaftlichen Wandel.

 

Soziale Plastik? Pro Contra
     
„Skulpturen für Hainholz“ - Stadtveränderung -> Teilhabe Bürger: unter seiner Anleitung fertigten zehn zu Projektbeginn arbeitslose Frauen innerhalb von drei Monaten die Skulpturen an
- für besonderes Engagement für die Stadt: Innovationspreis Soziokultur 2011
- spricht nicht jeden an
- nur Veränderung dieser einen Stadt? (kein Mehrwert für andere Städte)
     
     
„Fridays for Future" - politisches Statement (Mitsprache) von Kindern/Jugendliche
- medien- & öffentlichkeitswirksam
- Kinder/Jugendliche beschäftigen sich vielleicht zum ersten mal mit politischen Themen -> neue Denkweise aufzeigen
– altes Thema neu aufgegriffen
- Zweck wirklich erfüllt? Teilnehmer & deren Motive hinterfragen (Mitläufertum)
     
     
Verein (z.B. Sportverein) - Entwicklung Kinder/Jugend - Sozialisationsaspekt
- Zusammenhalt/Gesellschaftsgefühl wird entwickelt
- Werte- & Normvermittlung
- immer nur bestimmten Personengruppen vorbehalten
-> nicht jeder kann beitreten, nicht jeder weiß von Angebot
- kreativer Gedanke nicht im Vordergrund -> kein gesellschaftliches Vorankommen (vereinsabhängig)
     
     
Marina Abramović - hebt sich ab von Vorstellung Performance sei an der Körper des Künstlers gebunden
- durch verschiedene Handlungen der einzelnen Individuen kam es zu Gruppierungen und Streitigkeiten, was ebenfalls soziales Verhalten widerspiegelt
- antisozial? Künstler setzt sich dem Willen der Besucher aus